Electric Light Orchestra

Dave Morgan, Kelly Groucutt, Richard Tandy, Jeff Lynne, Bev Bevan, Mik Kaminski, Louis Clark

Nachdem Jeff Lynne, Bev Bevan & Roy Wood bereits mit ihrer Gruppe The Move regelmäßige Gäste in den Charts gewesen waren, zog es die drei Anfang der 70er zu neuen Abenteuern hin. Jeff: "Ende 1971 waren die Move gelaufen. Alles was wir wollten, war eine Gruppe mit Streichern. Alle anderen Bands hatten damals ihre Bläser, wir wollten etwas neues machen." Und tatsächlich: Was da im Jahr 1971 in den Studios ablief, war eine wilde Experimentierphase, in der sich vor allem Multiinstrumentalist Roy Wood austoben konnte. Auf seinen vier Songs des ersten Albums spielte er alle Instrumente selbst, ob es nun Streich-, Holzblas- oder andere Saiteninstrumente waren. Nur zum Trommeln sollte Bev Bevan ran, doch der wollte nicht. Beispielsweise beim Bürgerkriegsepos "The Battle Of Marston Moor (July 2nd, 1644)", in dem Roy Wood eine entscheidende Schlacht zwischen Oliver Cromwell und Karl I. darstellen wollte. Der gute Bev fand das Stück so schlimm, daß er nicht mal die paar Paukenschläge vollziehen wollte, die Roy von ihm verlangte. Folglich paukte Roy selbst und das auch nicht viel schlechter als Bev.

Sehr viel anders ging es da schon bei den fünf Stücken von Jeff Lynne zu. Lynne, im Gegensatz zu Wood, der bis heute ein genialer Musikfreak geblieben ist, vor allem ein kühl kalkulierender Organisator und begabter Verfasser von Ohrwürmern, holte sich Leute ins Studio, die seine Ideen umsetzen konnten. So stießen zum Trio Lynne, Wood und Bevan die beiden Musiker Steve Woolam (Violine) und Bill Hunt (Blechblasinstrumente). Das Endergebnis war eine Mischung aus eingängigen Popsongs und wildem Klassik-Pop-Mischmasch. Doch dem kaufenden Publikum in Europa machte das nichts aus, da alles, was progressiv oder experimentell war, Hochkonjunktur hatte.

Die erste Single "10538 Overture" stieß in England bis auf Platz 9 vor, und das Album landete auf dem 32. Platz. Der Start war also gelungen, wenngleich die Vereinigten Staaten mal wieder auf den Ohren saßen. Zuerst nannte man das Album durch einen witzigen Fehler "No Answer" - die Sekretärin von United Artists sollte den Albumtitel in England erfragen, erhielt jedoch keine Verbindung und legte deswegen ihrem Chef einen Zettel auf den Tisch mit der Aufschrift "No Answer", was dieser als Albumtitel auffasste - und dann ließen es die Fans in den Regalen verstauben. Das kümmerte Wood und Co allerdings wenig, hatte man doch ganz andere Sorgen. Man war auf der verzweifelten Suche nach rocktauglichen Streichern. Nach mehreren Anläufen hatte man schließlich den Sessionmusiker Wilf Gibson als Geiger verpflichten können. Über ihn fand man den Cellisten Hugh McDowell. Als zweiter Cellist wurde Mike Edwards und als dritter Andy Craig verpflichtet, Richard Tandy - ein alter Bekannter aus Move-Tagen - übernahm die Position des Bassisten. Den Livekonzerten stand also nichts mehr im Weg... Fast nichts! Einige der ersten Konzerte gerieten nämlich zum totalen Desaster, da die Streicher von der Rockbesetzung übertönt wurde. Interne Querelen zwischen Jeff und Roy taten ein übriges. Nach einer Tournee durch England und Italien wurde die Gruppe geteilt. Roy Wood nahm Hugh McDowell und Bill Hunt mit in seine neu gegründete Formation Wizzard, während Jeff Lynne mit Bev Bevan, Richard Tandy, Mike Edwards und Wilf Gibson einen erneuten Versuch startete. Richard Tandy wechselte an den Synthesizer und wurde durch Michael de Albuquerque am Bass ersetzt. Ebenfalls neu dazu kam Colin Walker am Cello. Diese Besetzung gab am 12. August in Reading auf dem alljährlich stattfindenden Jazz- & Blues Festival ihr Debüt und konnte erstmals auch live überzeugen. Ihr Manager Don Arden hatte aus den USA neu entwickelte Tonabnehmer von Barcus Berry organisiert, welche in der Lage waren, die Streichinstrumente entsprechend zu verstärken. Der Effekt war durchschlagend! Speziell die mit Beethoven-Einleitung versehene Fassung des Chuck Berry Klassikers "Roll Over Beethoven" schlug in Reading ein wie eine Bombe und geriet als kurz darauf veröffentlichte Single ebenfalls zum Hit. Er sicherte der Gruppe das Überleben, da das zweite Album "ELO II" außer dieser Single kein weiteres Chartsmaterial enthielt.

Nach einer zweimonatigen USA-Tour im Sommer 1973 verließen Gibson und Walker die Gruppe. Zuvor hatte man noch die nächste Single "Showdown" eingespielt, welche erneut zum Hit geriet. Mit dem Neuzugang Mik Kaminski (Geige) wurde das dritte Album "On The Third Day" beendet, welches zum ersten Mal ein Konzept erkennen ließ. Jeff Lynne hatte den Kurs deutlich in Richtung Rockmusik verändert und die Straffung des Konzepts hatte der Musik gut getan. Weniger Bombast, dafür bessere Songs hieß die neue Marschrichtung, die vor allem in den USA viele Freunde fand. Nach den Aufnahmen zu "On The Third Day" kehrte Hugh McDowell von Wizzard wieder zu ELO zurück, so daß die Besetzung der Gruppe wieder ihre alte Stärke erreicht hatte.

Was dann folgte waren Touren, Touren und nochmals Touren. Da die USA der mit Abstand größte Markt war und das einzige Land, in dem alle Alben in die Charts gekommen waren, hieß die Parole "auf in die USA". Im November 1973 wurde "On The Third Day" veröffentlicht und im Frühling 1974 folgte eine ausgedehnte Konzertreise durch die USA, bei der am 12. Mai 1974 in Long Beach die Bandmaschinen mitliefen. Dieser Auftritt sollte später das Licht der Welt als "The Night The Light Went On In Long Beach" erblicken. So stand das Electric Light Orchestra Ende 1974 vor einer glänzenden Bilanz: Was nach "Roll Over Beethoven" wie ein Zufallserfolg ausgesehen hatte, entpuppte sich mit "On The Third Day", "Showdown" und "Ma Ma Ma Belle" als echter Dauerbrenner. Jeff Lynne hatte bewiesen, daß er seine Lektion bei den Move gelernt hatte. Dies zeigte sich speziell beim nächsten Album "Eldorado", das für das Electric Light Orchestra den Durchbruch zum ganz großen Erfolg brachte. Jeff Lynne hatte erstmals ein großes Symphonieorchester und einen großen Chor zu den Aufnahmen gebeten und so die Aufnahmen in Richtung Bombast gesteuert. Das Ergebnis gab ihm überdeutlich Recht: Mit "Can´t Get It Out Of My Head" gelang ELO erstmals ein Top Ten Hit in den USA und auch das Album zog nach: Es landete auf Platz 16 und wurde in den Vereinigten Staaten vergoldet. Damit hatten Lynne und Co den Durchbruch geschafft.Trotz, oder wegen dieses Erfolges, entschlossen sich Mike de Albuquerque und später Mike Edwards, die Gruppe zu verlassen. Mit den Neuzugängen Kelly Groucutt im November 1974 und Melvyn Gale in Januar 1975 wurde eine weitere Tour in Angriff genommen, die im März 1975 nach Deutschland führte. Enttäuschend für ELO war allerdings der schwache Besuch und die Tatsache, daß ihnen die Vorgruppe Barclay James Harvest die Show stahl. Frustriert wurde die Tour abgebrochen. Wieder zurück in England spielte man ein neues Album ein. Im Oktober 1975 erschien "Face The Music" und machte allen deutlich, daß die Zeiten experimenteller Musik endgültig der Vergangenheit angehörten. Zwar war die LP aufwendig von Reinhold Mack in den Münchner Musikland-Studios produziert worden, aber die ELO-Streicher tauchten nur noch bei kurzen Soli auf, im Gegensatz zu "Eldorado", als sie noch beinahe die Hälfte des Albums mit eingespielt hatten. Bandboß Jeff Lynne hatte den Sound deutlich auf Erfolg und mehr Rock getrimmt, freilich nicht auf viel Backgroundgesang und Soundeffekte verzichtet, die "Face The Music" sehr stromlinienförmig und extrem eingängig machten. Das Ergebnis gab Lynne recht: "Evil Woman" geriet zum Welthit und rutschte praktisch in alle Top Tens nicht nur auf dem Kontinent, sondern auch in Großbritannien und den USA Auch Single Nr. 3 von "Face The Music", "Strange Magic", stieß in den USA und Europa beinahe bis in die höchsten Höhen vor. Jeff Lynne hatte also sich und allen seinen Fans nachdrücklich bewiesen, daß der Höhenflug und vor allem die eingängigen Songs von "Eldorado" keine Eintagsfliegen waren, sondern Jeff Lynne offensichtlich zu der raren Gattung der Songschreiber gehörte, die ein Ohr für Hits besitzen. Logisch, daß auf diesen Erfolg eine Welttournee folgte, die bis Ende März 1976 dauerte.

Danach folgte der nächste Knaller. Noch nie hatte man so viele Platten von einer LP verkauft, noch nie waren alle Singles von einer Scheibe Hits geworden. Bei "A New World Record" passierte genau das: "Livin Thing", "Rockaria", "Do Ya" und "Telephone Line" gerieten sämtlich zu weltweiten Charttreffern und sorgten dafür, daß 1976 zum ELO-Jahr ohne gleichen wurde. Von da an ist kein Album von ELO unter der 5 Millionen-Marke mehr geblieben.

Mitte 1977 beschloß Jeff Lynne schließlich, daß das nächste Album ein Doppelalbum werden sollte. Innerhalb von nur 14 Tagen schrieb Jeff Lynne im Schweizer Basin 13 Songs. Danach ging es sofort in die Münchner Musicland Studios, in denen während drei Monaten das Album eingespielt wurde. Das Album mit dem Titel "Out Of The Blue" sollte zum "Weißen Album" von ELO werden. Bereits vor der Veröffentlichung lagen Vorbestellungen in Höhe von 47 Millionen Dollar vor! In England sollte es sagenhafte 108 Wochen in den Charts gelistet werden. Titel wie "Turn To Stone", "Mr. Blue Sky", "Sweet Talking Woman", "It's Over" und "Wild West Hero" eroberten die Charts in aller Welt.

Klar, daß als nächstes eine ausgedehnte Welttournee auf dem Plan stand. Im Februar 1978 war Hawaii die erste Station des ELO-Trecks, der im Mai nach Deutschland und im Juni nach England kam und überall enorme Erfolge feierte. Dazu trug die unglaublich gute Bühnenshow bei, deren Herzstück, ein breites Raumschiff als Bühne, schon allein beeindruckte, doch durch die glänzend abgestimmten Light- und Lasershows noch zusätzlich Dimensionen erhielt. "Discovery", das nächste Album fiel wesentlich rhythmischer aus als "Out Of The Blue" und enthielt mit "Shine A Little Love", "Last Train to London", "Confusion", "The Diary Of Horace Wimp" und "Don´t Bring Me Down" erneut fünf Singlehits.1980 folgte mit "Xanadu" die erste Filmmusik des Electric Light Orchestra. Neben dem mit Olivia Newton-John als Lead-Sängerin eingespielten Titeltrack fielen drei weitere Singlehits ab. Bei insgesamt nur fünf ELO-Liedern sicherlich keine schlechte Bilanz. Die Gruppe war inzwischen auf die Besetzung Jeff Lynne, Bev Bevan, Richard Tandy und Kelly Groucutt geschrumpft und spielte reinen Pop, sehr zum Leidwesen der Kritiker.

Mit dem Album "Time" wurde darauf reagiert. Das Werk fiel wieder härter aus, Keyboardsound dominierte. Wie "Out Of The Blue" besaß auch "Time" sein Science-Fiction-Konzept und auch der Erfolg der Singles und des Albums war erneut weltweit. Eine ausgedehnte Welttournee, die ihre letzte sein sollte, folgte. Dabei wurde die Truppe Lynne, Bevan, Tandy, Groucutt noch durch Dave Morgan, Louis Clark und Mik Kaminski verstärkt. Zu den optischen Reizen gehörte ein Roboter, der das Intro und Outro zur Show sprach. Ansonsten verzichteten ELO diesmal auf optische Gimmicks. Zwei Jahre später erschien mit "Secret Messages" ein wieder gitarrenbetonteres Album. Ursprünglich als Doppelalbum geplant und eingespielt, wurde es kurzerhand von der Plattenfirma zum einfachen Album zusamengekürzt, was dem Album jedoch eher schadete, da es dadurch völlig zusammenhangslos wurde. Drei der vier unveröffentlichten Lieder erschienen 1990 auf der 3-CD Box "Afterglow", die aus Anlaß des 20-jährigen Bestehens des Electric Light Orchestra in den USA veröffentlicht wurde.

1986 erschien mit "Balance Of Power" das vorerst letzte Album der Gruppe um Jeff Lynne, die nun auf ein Trio geschrumpft war (Jeff, Bev und Richard), welches mit "Calling America" und "So Serious" noch einmal zwei Hits ablieferte. In diesem Jahr konnte man ELO auch zum allerletzten mal live erleben: Zuerst beim Wohltätigkeitskonzert "Heartbeat '86" in der Birminghamer NEC Arena, das Bev Bevan organisiert hatte, und später dann noch einmal in London (Wembley Arena) und bei zwei Gigs mit Rod Stewart in Deutschland. Fortan hörte die Gruppe auf zu existieren: Jeff Lynne widmete sich seiner Karriere als Produzent, Mik Kaminski und Kelly Groucutt riefen OrKestra ins Leben und Bev Bevan brachte einige Jahre später das Electric Light Orchestra Part II zusammen.

Nach 15 Jahren Pause erschien im Juni 2001 das Album "Zoom". Jeff Lynne hatte nach dieser langen Zeit Lust bekommen, das Electric Light Orchestra wieder aufleben zu lassen. Nach vielen Projekten als Produzent anderer Musiker, war es für ihn an der Zeit wieder etwas Eigenes zu veröffentlichen.
Nach dem Weggang von Bev Bevan Ende 1999 musste sich die Band, die als E.L.O. Part II durch die Welt reiste, einen neuen Namen suchen, denn Jeff Lynne hatte sich jetzt die alleinigen Rechte am Namen Electric Light Orchestra gesichert.
Das neue Album "Zoom" war von Jeff Lynne in einen Zeitraum von zweieinhalb Jahren mehr oder weniger im Alleingang aufgenommen worden. Von den ehemaligen Bandmitgliedern hatte nur Richard Tandy einen Gastauftritt, und zwar auch nur auf der ersten Single "Alright". Weitere Gastauftritte gab es unter anderem von George Harrison, Ringo Starr, Rosie Vela und Marc Mann.
Obwohl das Album auch bei den Kritikern verhältnismäßig gut ankam und in Deutschland sogar in die Top 20 kam, blieb der ganz große Erfolg leider aus. Beide Singles "Alright" und "Moment in Paradise" erschienen in den meisten Ländern nur als Promo und die geplante USA Tour wurde später abgesagt. Dennoch ist "Zoom" ein sehr gelungenes Album, das mit einer besserer Promotion seitens der Plattenfirma sicher noch erfolgreicher hätte sein können.

Informationen zusammengestellt von Marc Haines & Alexander von Petersdorff.
(C) 1996, 2004 FACE THE MUSIC GERMANY.


Letzte Änderung: 12.02.2018